Der Transaktionsmarkt für notleidende Forderungen (Non Performing Loans – NPL) befindet sich im Umbruch: Während in der Boomphase von 2003 bis 2006 internationale Investoren den deutschen NPL-Markt als sehr attraktiv einstuften, hat sich diese Einschätzung im Zuge der Finanzmarktkrise erheblich abgeschwächt. Das lag im Wesentlichen daran, dass nach einer Periode regelmäßiger Portfolioverkäufe mit jährlichen Volumina in Milliardenhöhe ein regelrechter Stillstand an NPL-Verkäufen eingetreten ist. Über die Situation des NPL-Marktes und seine Perspektiven sprachen wir mit Dr. Jörg Keibel, Präsident der Bundesvereinigung Kreditankauf und Servicing (BKS), in der führende Unternehmen aus dem Bereich Ankauf und Servicing notleidender Darlehen organisiert sind.
NPL Forum: Wie entwickelt sich angesichts der aktuellen Wirtschaftslage der Bestand an Problemkrediten in deutschen Kreditinstituten?
BKS: Der Markt für NPL-Verkäufe hat sich im letzten Jahr positiv entwickelt, allerdings bei weitem nicht so positiv, wie es von vielen Marktakteuren erhofft worden ist. Die Ursache liegt klar darin, dass die Banken mit anderen Themen beschäftigt sind als mit der Vorbereitung und Abwicklung von Verkaufsportfolien. Dies führt dazu, dass sich in den Banken immer mehr notleidende Kredite auftürmen.
NPL Forum: Wie hoch sind derzeit der Druck auf die Institute bzw. deren Bereitschaft, sich von NPL-Portfolien zu trennen?
BKS: In den letzten Monaten wurde auf internationaler und nationaler Ebene viel über das Risikomanagement in Banken diskutiert und wie die Banken krisenfest gemacht werden können. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die EU-Bankenrichtlinie. Hier war abzusehen, dass sich die Banken nicht umstrukturieren würden, bevor die Vorgaben nicht klar waren. Nun wird in der Umsetzung der neuen Anforderungen auch der Druck auf die Banken zur Abgabe von Problemkrediten größer werden und es werden in diesem Jahr sowie in den Folgejahren wieder verstärkt Forderungsverkäufe stattfinden.
NPL Forum: Der Problemkreditbestand in Ländern wie Irland, Spanien und Osteuropa wächst weiter. Welche Impulse ergeben sich daraus für die deutsche NPL-Branche?
BKS: Es ist zwar richtig, dass sich der NPL-Markt in ost- und südeuropäischen Ländern schon belebt hat, dort sind jedoch ganz andere wirtschaftliche Rahmenbedingungen anzutreffen. Insofern erkenne ich hier keinen direkten Zusammenhang. Allerdings ist es natürlich so, dass sich international agierende Investoren als erstes auf den Märkten betätigen, in denen sie konkrete Geschäfte machen können.
NPL Forum: Wird sich die Servicingbranche vor diesem Hintergrund mehr und mehr international ausrichten oder bleibt das NPL-Geschäft zumindest zum Teil eher "local"?
BKS: Im Servicerbereich wird es eine Konsolidierung geben müssen. Die exklusive Beziehung "ein Investor – ein Servicer" wird es zukünftig nicht mehr geben. Die Investoren werden sich unabhängig von einem eigenen Servicer machen und sich den Servicer vielmehr nach qualitativen Merkmalen und natürlich nach den Konditionen aussuchen.
NPL Forum: Die BKS fördert die Entwicklung standardisierter Vertragsgestaltungen bei NPL-Transaktionen in Deutschland. Wie ist hier der aktuelle Stand und welche nächsten Schritte sind geplant?
BKS: Die Frankfurt School of Finance & Management und die BKS haben unter Einbeziehung von Banken, Kreditkäufern, Verbänden, Beratern und Kanzleien ein Projekt aufgesetzt, um NPL-Transaktionen zu verschlanken und zu vereinfachen. Zielrichtung ist dabei weniger der Großbankenbereich als mehr die Regionalbanken, die sich ebenfalls von Problemkrediten trennen müssen, aber in der Regel nicht das Volumen haben, damit sich ein kompliziertes kostenträchtiges Verfahren lohnt. Denen wird mit den neuen Standards geholfen und hier setzen die Initiatoren wesentlich auf die Einbindung der betroffenen Verbände.
NPL Forum: Wie hat sich die Zusammenarbeit der NPL-Branche mit den Kreditinstituten in den letzten Jahren entwickelt? Gibt es neue Formen der Kooperation? Wie könnten innovative Dienstleistungstrends der kommenden Jahre aussehen?
BKS: Wie man bereits an der Besetzung des BKS-Beirats sieht, rücken die Verkäufer und Käufer von Problemkrediten enger zusammen, da sie letztlich die gleiche Interessenlage haben. Damit lassen sich im Vorfeld von Transaktionen auch die gegenseitigen Erwartungen besser abgleichen. Eine "Innovation" wird letztlich in der Standardisierung von Prozessen liegen, die die Abwicklung von Transaktionen für alle Beteiligten vereinfachen.
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